Text, Melodie und Harmonie gesungen
werden, wie sie in Männer-Gesangvereinen von gebildeten und gesitteten
Menschen gesungen werden."
Geübt wurde zweimal in der Woche in der
Stadtschule. Wer aufgenommen werden wollte, musste ein vom Vorstand
bestimmtes Lied vortragen. In der folgenden Versammlung wurde über die
Aufnahme geheim (durch Ballotage*)
abgestimmt. Sie erfolgte, wenn mehr als die Hälfte aller Mitglieder
damit einverstanden war. Das Eintrittsgeld betrug 15 Sgr, der monatliche
Beitrag 5 Sgr, wofür man damals ein Pfund Butter kaufen konnte. Wer in
der Übungsstunde rauchte, musste übrigens ebensoviel als Strafe zahlen.
Weitere Strafen wurden für unentschuldigtes Fehlen und Zuspätkommen
festgesetzt, doch wurde, wie sich aus dem noch vorhandenen Kassenbericht
ergibt, nur wenig von diesen Erziehungsmitteln Gebrauch gemacht.
Der erste Vorstand
Der Vorstand bestand aus dem Präses, dem
Gesangmeister und dem Secretär, der wohl gleichzeitig Kassierer war. Zum
Gesangmeister oder Dirigenten wurde der Kantor Hermann Wilhelm
Grünwälder gewählt, der von 1844-1868 in Vlotho tätig war. Für seine
Tätigkeit als Dirigent erhielt er monatlich 2 ½ Taler, also für jeden
Übungsabend 6-7 Sgr.
Zu Weihnachten brachte ihm außerdem noch
ein Bote ein besonderes Schreiben des Amtmanns:
„An
Kantor Grünewälder,
Wohlgeboren, hier.
Im Namen des hiesigen
Männer-Gesangs-Vereins erlaube Euer Wohlgeboren ich mir, das anliegende
Streifchen Papier aus den Vereins-Akten mit der Bitte um freundliche
Aufnahme und dem Ersuchen ergebenst zu übersenden, für dieses Streifchen
ein Glas schäumenden Weines auf das ungetrübte Fortbestehen des Vereins
gütigst zu lehren.
Mit der Bitte, dem
Verein Ihr ferneres Wohlwollen zu erhalten, zeichne ich Namens der
sämtlichen Vereinsmitglieder
hochachtungsvoll und
ganz ergebenst
Der Direktor des
Vereins: Müller."
Das Streifchen Papier entpuppte sich als
eine Kassenanweisung auf fünf Taler.
Über die Kassenverhältnisse legte am 12.
2. 1859 in der Generalversammlung, die den Vorstand in seinem Amt
bestätigt, der Rendant Sievert den ersten Kassenbericht vor. Danach
betrugen die Einnahmen 71 Taler, unter denen sich der Überschuss des
ersten öffentlichen Konzertes befand, der sich auf 30 Tlr belief. Dieses
erste Konzert hatte am 27. 11. 1858 im Götteschen Saale stattgefunden.
Der Reinertrag war für die Vlothoer Armen bestimmt. Eine nebenher
laufende Haussammlung hatte Spenden in Höhe von 157 Talern ergeben.
Wegen dieses Konzertes konnte der Verein
übrigens einer Einladung der Liedertafel „Harmonie" in Varenholz zum
Gesangfest mit Ball nicht Folge leisten.
Mit dem ungetrübten
Fortbestehen des Vereins im Jahre 1859 sah es jedoch nicht gut aus.
Trotz andauernder Mahnungen ließ die Beteiligung an den Übungsabenden
immer wieder zu wünschen übrig. Schließlich wurde am 10. 8. beschlossen,
nur noch einmal in der Woche zu singen. Zwei Monate später wird
zu einer Versammlung mit der Tagesordnung eingeladen:
„Fortbestehen des
Vereins?" Wer unentschuldigt fehlt, wird gestrichen, und wer nicht mehr
mitmachen will, soll die Einladung nicht unterschreiben, damit wir genau
wissen, wie viel Mitglieder im Vereine bleiben, und wir endlich zum
Ziele kommen und die bisherige Lodderei ein Ende nimmt, denn es ist
besser, wenige Sänger, die regelmäßig kommen, zu haben als viele, die
unregelmäßig erscheinen."
Anfang des Jahres 1860 riss Amtmann
Müller schließlich der Geduldsfaden. In der nur von 23 Mitgliedern
besuchten Versammlung legte er am 1. 2. den Vorsitz nieder. Sein
Nachfolger wurde der Zigarrenmacher Jäger I. Aus einer kurzen Meldung
des Jahres 1863 geht jedoch hervor, dass Amtmann Müller zu dieser Zeit
schon wieder Direktor, des Vereins geworden war.
* Ballotage -- Geheime Abstimmung
durch weiße und schwarze Kugeln.
Ballotāge nennt man nach dem Französischen die Abstimmung mittels weißer
und schwarzer Kugeln über Aufnahme oder Nichtaufnahme in eine
Gesellschaft.
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